L'Eroica, 2.-4.10.15 Gaiole in Chianti, Toskana

Che e ora (wie spät ist es)? fragt die schnaufende Stimme neben mir.

Sei e mezzo (secheinhalb), gebe ich gepresst zurück.

Wir haben, mit unseren alten Rennern gerade die vierspurige Hauptstraße in Siena überquert und fahren nun auf den kleinen, welligen, abgelegenen Straßen Richtung Süden. Leider bleibt und der Blick auf die schönen Türme der Stadt, durch die vielen Wolken verbaut.

Di dove sei (wo kommst du her)? frage ich den, alle Klischees eines L´Eroica Teilnehmers erfüllenden Rennfahrer neben mir. Sono tedesco (ich bin Deutscher) antwortet er, wodurch mir ein "Guten Morgen" entrutscht. Ungeachtet meines deutschen Wortlautes, plaudert er fleißig auf italienisch weiter. Wie sich später rausstellt, kommt er aus München, und hat gerade viele der heldenhaften Teilnehmer, die dieses Jahr trotz Regenvorhersage auf der 209 km Strecke der L´Eroica  starten, überholt. Voller Enthusiasmus möchte er das Ganze in zehn Stunden bewältigen.

Wir sind um ca. 5:10 in Gaiole im Chianti gestartet, um nach leichtem Einrollen den ersten Anstieg auf Schotter, zum Castell di Brollio, zu bewältigen. Das surren der Ketten und die flackernden, den Weg säumenden Kerzen, wirken magisch auf uns. Die ersten Fahrer steigen ab und schieben.

Oben angekommen, stürzen wir uns die nächste Abfahrt auf der strada biancha (weißen Schotterstraße) wieder hinab.

120 km werden es heute "auf Schotter" sein. Teilweise ähnelt die Straße einer Crosser Strecke da nur schmale Streifen befahrbar sind.

Die Schotterstraßen sind durch den Regen aufgeweicht und der gelbe Lehm ist rutschig.

Die von allen Dichtern als sanfte Hügel beschriebenen Berge, entpuppen sich als knallharte Anstiege. Die wenigsten erklimmen diese im Sattel. Entweder ist der Schotter zu lose, oder die Übersetzung gibt es nicht her.

Bewundernswert sind die Frauen die sich diese Tortur zutrauen, oder aber Fahrer die ohne Gangschaltung unterwegs sind. RESPEKT!

Viele von Ihnen kommen erst bei Dunkelheit wieder am Ziel an, manche geben unterwegs entkräftet auf.

209 km sind papiertechnisch gesehen nicht viel, 3700 Höhenmeter vielleicht auch nicht.

Das Ganze allerdings auf alten, vor 1987 gebauten Rennrädern mit offen verlegten Zügen, Schaltungen am Unterrohr und Übersetzungen die jeder Fahrradhändler als "Sonderware" bestellen müsste, sind die Herausforderung an sich.

Es ist kurz nach 18:00 Uhr als ich wieder zurück in Gaiole bin. Den Münchner treffe bei der Abfahrt nach Gaiole wieder, ca. zwanzig Minuten nach meiner Ankunft.

Unterwegs muss ich Ihn, trotz zweier Reifenpannen, überholt haben. Er ist froh am Ziel zu sein!

 

Text und Fotos: Walter Baier